Fahrradgeschichten 9 – Antoine … ersetzen??

23. Juni 2007 um 15:06 | Veröffentlicht in Fahrrad | 8 Kommentare

Heute wurde ich durch einen Zeitungsartikel an meine erste Begegnung mit dem Wort „Drahtesel“ erinnert. In einem TKKG-Buch hieß es: „Wir nehmen die Drahtesel“, und ich las in meiner naiven Jugendlichkeit „Drah-tésel“ – die Betonung auf der Silbe „te“.
Erst als Wörter wie „Lenker“ und „Gepäckträger“ fielen, wurde mir klar, womit ich es zu tun hatte. Heute bin ich weit vertrauter mit solcherart Gefährt, wenn das genannte Wort auch nur zu meinem passiven Wortschatz gehört. Bloß dachte ich heute für eine Sekunde daran, meinen Drah-Tesel – denn auf Antoine paßt die Bezeichnung ja auch irgendwie – nun ja … vielleicht … eines Tages zu ersetzen. Oje, hoffentlich liest Antoine das nie! Wurde er doch heute schon fuchsteufelswild, als vor uns ein schickes rotes Hollandrad fuhr, mit einem rosa-orange gepunkteten Kettenschutz… Ich ließ mir nichts anmerken, aber vielleicht bemerkte Antoine es doch?


Vor vielen Monaten hatte ich schon einmal kurz einen derartigen Gedanken, den ich sogar kommunizierte. Schließlich war Antoine – allerdings bevor er seine Namen bekam – ursprünglich als Übergangslösung gedacht. Hauptsache erstmal ein Fahrrad. Aus dem Kreise meiner Freunde hagelte es Proteste. Es gab sogar Unterschriftensammlungen. „Das kannst du nicht machen“, hieß es. „Antoine hat Charakter!“

So richtig werde ich mich vielleicht doch nie zu einem Neukauf durchringen können. Ich meine, wohin dann mit Antoine? Wie es ihm sagen? Unlängst kreuzten wir beide zufällig an irgendeinem „Tag des Radrennens“ eine Fahrradrennbahn. An den Ampeln wurde man von Polizisten durchgewinkt, wenn gerade genug Abstand zwischen zwei Radrenngruppen war. Vier schnittige, tiefergelegte Rennräder rauschten an Antoine und mir vorbei, während wir zwar kräftig, aber doch weit weniger professionell in die Pedale traten.
Antoine hatte nur ein spöttisches Lächeln für seine Kollegen übrig: Was soll bitte spannend und erhaben daran sein, unter größtem Kraftaufwand immer im Kreis zu fahren?
Wäre ich nun selbst auf so einem feschen Fahrrad unterwegs, würde es ebensoviel Humor zeigen?

Ich glaube kaum.

* * * * * * * * *

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht
Jetzt wird Kaffee gemacht

8 Kommentare »

RSS feed for comments on this post. TrackBack URI

  1. Nun ja – es heißt ja „bis daß der Tod euch scheidet“. Also bis bei einem von Euch beiden – vermutlich eher Antoine – keine Vitalität mehr meßbar ist. Dann darfst Du ihn beerdigen (verschrotten) und ein anderes Fahrrad ehelichen (erwerben).
    Wenn Ihr aber nur amtlich und nicht kirchlich getraut seid, kannst Du Dich auch scheiden lassen… wenn Du es über Dich bringst.

  2. Ja, Ladykinkling, Rennräder haben wenig Humor. Meines z.B. spricht selten, ist sehr verbissen und ständig bereit zu sprinten. Deswegen fahre ich mit ihm auch nicht im Stadtverkehr und nicht auf Radtouren. Es reagiert sehr bissig auf andere Räder, will überholen und protestiert, wenn es überholt wird. Gleichmut liegt ihm fern. Nur wenn es mal durch die Heide fahren darf, wird es ruhiger, galoppiert gleichmäßig vor sich hin und zeigt so etwas wie Dankbarkeit. Wahrscheinlich ist es ein Wildrad ohne große Umgangsformen, geradezu nervös bei Autoverkehr und Fußgängern und nur zufrieden auf einsamen Landstraßen.
    Mein anderes Rad ist da ruhiger, freut sich auch mal in Hamburgs Stadtverkehr zu fahren, grüßt höflich andere Räder, ist aber wahrscheinlich bei weitem nicht so elegant und weltoffen wie Antoine. Als ich es kaufte, hieß es „World Cup 96“, vielleicht hätte es lieber einen anderen Namen bekommen, aber jetzt ist es zu spät.

  3. Du treibst dich mit dem Gedanken der Unzucht rum. Du begehrst des anderen Rad. Du gibst dich nicht zufrieden mit dem was Du hast.

    Ich bin bestürzt!

  4. Oh, jetzt bin ich auch bestürzt. Aber ich kann Euch und mich beruhigen: Zunächst werde ich es nicht eohne weiteres fertigbringen, mich von Antoine zu trennen. Dafür schätzen wir einander zu sehr, soviel haben wir bereits zusammen erlebt – und bin ich doch so zufrieden mit ihm.
    Wenn es aber wirklich nicht mehr geht und Antoine seinen Geist aufgibt, dann wird es mir ausgesprochen schwerfallen, mich zu trennen. Das dauert aber hoffentlich noch eine Weile, da Antoine mir im Gegensatz zur Anfangszeit im letzten Jahr überhaupt keine Schwierigkeiten machte; nicht einmal einen Platten hatte er.

  5. Dennoch, falls es mal soweit ist, eine Trennung kann auch ein Anfang sein:
    Einmal habe ich mich getrennt, von „Peugot“ einem ausnahmsweise gutmütigem Rennrad, ca. 20-25 Jahre alt. Ein Freund hat es bekommen. Ich hatte aber mehr Angst, dass ihm die sehr durchgebremsten Felgenflanken mal brechen, als das ich Wehmut hatte. Jetzt hat „Peugot“ nagelneue Felgen und ich weiß ihn in guten Händen.
    Das wirkliche Drama, dass z.B. „Maracaibo“ ohne Hinterrad seit 1,5 Jahren im Keller vegetiert, erzähle lieber erstmal nicht.

  6. es heißt allerdings Peugeot… tja, …:-)

  7. Wenn Männer wie die Frauen, den Dingen einen Namen geben

    Kennt Ihr dass, wenn Frauen x-beliebigen Haushalts- und Gebrauchsgegenständen in ihrem persönlichem Umfeld, ebenso persönliche Namen geben?

    Da nimmt sich auch die bloggende, weibliche Hemisphäre nichts. Die eine gibt ihrem Fahrrad den Namen Anto…

  8. […] sich auch die bloggende, weibliche Hemisphäre nichts. Die eine gibt ihrem Fahrrad den Namen Antoine und die andere sucht für ihren neuen Ventilator noch einen Namen. Ist nicht wirklich etwas, […]


Hinterlasse einen Kommentar

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.
Entries und Kommentare feeds.